Teil 07: Konzert-Höhepunkte aus dem Kloster Maulbronn 2004

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20 Jahre Edition Kloster Maulbronn
Die schönsten Konzert-Höhepunkte
aus dem Kloster Maulbronn 2004

50 Jahre Klosterkonzerte Maulbronn
Jubiläums-Reihe, Teil 7

Höhepunkte aus:

Georg Friedrich Händel:
Belshazzar, HWV 61
(25. & 26. September 2004)

Joseph Haydn:
Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze
(10. Juni 2004)

Max Bruch:
Moses, Op. 67
(19. & 20. Juni 2004)

Konzertmitschnitte aus der Kirche des UNESCO-Weltkulturerbes Kloster Maulbronn

HD-Aufnahme · DDD · Spielzeit: c. 97 Minutes
Digitales Album · 18 Tracks · incl. Booklet

FILES
Hörproben
Werk(e) & Aufführung
Edition Kloster Maulbronn - Eine Reihe von Josef-Stefan Kindler & Andreas Otto Grimminger, K&K Verlagsanstalt

S

eit nunmehr 20 Jahren dokumentieren wir die Konzerte im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn. Die seit 50 Jahren bestehende Konzertreihe bietet in vielfacher Hinsicht die idealen Voraussetzungen für unser Bestreben. Es ist wohl vor allem die Atmosphäre in den von romantischem Kerzenlicht erhellten Gewölben, der Zauber des Klosters in seiner unverfälschten sakralen Ausstrahlung und Ruhe, die in ihrer Wirkung auf Künstler und Publikum die Konzerte in unserer Edition Kloster Maulbronn prägen.
Neben vielen wundervollen Mitschnitten, die wir mittlerweile veröffentlicht haben, sind die Aufführungen der Oratorien von Georg Friedrich Händel eine Kostbarkeit innerhalb der Edition. Die größten Werke eines Komponisten als Aufführung, im gleichen Raum, mit der Handschrift eines Dirigenten und einer weitgehend identischen Besetzung von Chor, Solisten und Orchester produziert zu haben, dieser Rückblick lässt sich, angesichts der damit verbundenen Herausforderungen, für mich derzeit noch nicht in Worte fassen, zumal ein Ende der Reihe nicht absehbar ist. Mögen uns noch viele Aufzeichnungen gelingen.
Worin liegt jedoch die Fazination der Oratorien? "Alte Musik" geht oft mit falschen Klischees einher. Spannung, Kraft, Dramatik und Virtuosität sind nicht eben jene Begrifflichkeiten, die als Synonym für Werke des Genres gelten. Doch sind es gerade diese Faktoren, die uns bewogen haben die Oratorien für die Nachwelt festzuhalten, authentisch - als Konzert.
Georg Friedrich Händel wusste das Publikum in seinen Bann zu ziehen, es erschauern zu lassen - damals wie heute. Selbst Haydn erging es nicht anders. Lassen Sie mich auf eine Anekdote eingehen: Der Niedergang Jerichos im II. Akt des Oratoriums "Joshua" hat Händel zu einem seiner herrlichsten "Donnerchöre" veranlasst. Bei einer großen Aufführung 1791 in der Westminster Abbey war Haydn sehr beeindruckt. Es heisst, die Musik war ihm zwar vertraut, er sei sich jedoch ihrer Wirkkraft nur halb bewusst gewesen, ehe er sie zu hören bekam. Jedenfalls war Haydn überzeugt, dass nur ein Genie wie Händel jemals eine so überragende Komposition verfasst haben und in aller Zukunft verfassen könne...
Damals hatten die Menschen noch Zeit, waren keiner Reizüberflutung durch Medien und Internet ausgesetzt - und dennoch tat sich auch Haydn schwer, die wahre Größe und Kraft eines Oratoriums rechtens einzuschätzen. Diese Kraft, diese Dramatik ist die Idee, das Konzept unserer Retrospektive. Einen Querschnitt schaffen, eine Zwischenbilanz erstellen, um Ihnen damit die Welt der Oratorien Händels und der klassischen Musik näherzubringen.

Josef-Stefan Kindler, K&K Verlagsanstalt, Anno 2018

"Die verlegerische Leistung
von Josef-Stefan Kindler und Andreas Otto Grimminger
von der K&K Verlagsanstalt
ist mit ihrer Edition Kloster Maulbronn
kaum hoch genug zu würdigen..."

DIE RHEINPFALZ, Juni 2016


"Die CD-Edition beginnt mit einem Paukenschlag:
Die auch klangtechnisch hervorragend gelungene Einspielung
dokumentiert den hohen Rang der Maulbronner Klosterkonzerte
und liefert in der "Jephtha"-Diskografie
eine interessante und hörenswerte Variante..."

DIE RHEINPFALZ, 1998


H

ändel war nie in Maulbronn - und mit der mittelalterlichen Klosterwelt hat sein Schaffen im Grunde nichts zu tun. Doch seit gut zehn Jahren ist der Ort im Württembergischen, mit der einzig komplett erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlage nördlich der Alpen, eine wichtige Pflegestätte der Händel'schen Oratorien. Dank der CD-Mitschnitte können Händel-Freunde aus aller Welt an den Händel-Konzerten aus dem Kloster Maulbronn, das seit 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, teilhaben. Mittlerweile liegen Einspielungen von neun Oratorien vor.
Dirigiert werden sie von Kirchenmusikdirektor Jürgen Budday, der seit 1978 Lehrer für Musik am Evangelischen Seminar Maulbronn ist und auch für die Kirchenmusik an der Klosterkirche verantwortlich zeichnet. Seit dieser Zeit ist Budday im "Nebenamt" der künstlerische Leiter der 1968 ins Leben gerufenen Maulbronner Klosterkonzerte, in deren Rahmen die Händel-Konzerte stattfinden. Zumeist zu deren Abschluss im Herbst. Getragen werden die Konzerte vom Maulbronner Kammerchor, der 1983 gegründet wurde und in dem ausgebildete Sänger aus ganz Deutschland mitwirken. Den Kern bilden dabei Absolventen des Seminars Maulbronn. Mit dem aus Anlass einer Konzertreise in die USA gegründeten Maulbronner Kammerchor gastierte Jürgen Budday in ganz Europa, in den USA, Israel, in Südafrika und Namibia sowie bereits zweimal in Argentinien.
Mitgeschnitten und veröffentlicht werden die CDs mit den Maulbronner Händel-Aufführungen von der K&K Verlagsanstalt aus dem pfälzischen Landau, die in ihrer Edition Kloster Maulbronn auch andere Höhepunkte der Maulbronner Klosterkonzerte aufzeichnet und als CD veröffentlicht. Verleger Josef-Stefan Kindler war sofort von der Aura des Ortes in den Bann gezogen und so sehr vom Potential der künstlerischen Arbeit in Maulbronn überzeugt, dass er das Konzept der Edition Kloster Maulbronn entwickelte. Es war von Beginn an klar, dass die Mitschnitte der Konzerte in der Edition hohen künstlerischen Ansprüchen zu genügen hatten, da sie weit mehr sein sollten als bloße Dokumentation und Souvenirs. Vor allem die Händel-Aufführungen.
Wichtig war Jürgen Budday die historische Aufführungspraxis. Die Händel-Pflege soll in Maulbronn in einem konzeptionellen Zusammenhang stehen um so einen inhaltlich geschlossenen Zyklus aufzubauen. Daher standen und stehen die Maulbronner Aufführungen im Kontext von Reihen wie "Biblische Helden in Händels Oratorien", "Biblische Könige" oder "Biblische Feldherren". Mit "Jephtha" begann 1998 die Reihe der für die Edition mitgeschnittenen Aufführungen. 1999 erklang der "Samson". Nach einem Jahr Unterbrechung war 2001 "Judas Maccabäus" an der Reihe, 2002 der "Saul". 2003 folgte "Solomon", 2004 "Belshazzar". Die Jahre 2005 und 2006 standen im Zeichen des "Messiah", erst im Original, dann zum Mozart-Jahr in der Mozart-Fassung. 2007 war folgte "Joshua".
Alle Maulbronner Einspielungen werden von Tonmeister Andreas Grimminger von der K&K Verlagsanstalt betreut und klangtechnisch ganz vorzüglich realisiert. Er legt vor allem Wert darauf, so viel wie möglich von der ganz besonderen Aura der Konzerte zu vermitteln, was ausgezeichnet gelingt. Es ist in der Tat eine besonders dichte Stimmung bei den Händel-Konzerten in der altehrwürdigen Klosterkirche - und wiewohl Händels Oratorien fast alle für Aufführungen in säkularen Räumen komponiert wurden, finden sie in der Maulbronner Kirche einen sehr passenden Ort. Es ist kein Zufall, dass unter anderem deshalb auch die prominenten Solisten die Konzerte in Maulbronn sehr schätzen. Der Countertenor Michael Chance, der an mehreren Konzerten mitwirkte, hat gegenüber Jürgen Budday betont, dass der Auftritt in Maulbronn für ihn "a real highlight" in seinem Jahresprogramm, das Konzerte und Opernaufführungen an den ersten Häusern umfasst, sei.
Gleich zu Anfang der Reihe war mit Emma Kirkby ein "Weltstar" der Alten-Musik-Szene in Maulbronn aufgetreten. Neben Michael Chance kamen und kommen international gefragte Gesangssolisten wie Nancy Argenta, Stephen Varcoe, Markus Schäfer oder Marlies Petersen (kurz nach ihrem Festspielauftritt in Salzburg) nach Maulbronn. Aber auch junge Sängerinnen und Sänger mit Zukunft gestalten die Solopartien in den Oratorien Händels. So sang die Emma-Kirkby-Schülerin Miriam Allan in "Joshua" - und das nicht nur in der berühmten Arie "Oh! had I Jubal's lyre" - auf absolutem Weltklasseniveau.
Auch von dem jungen Countertenor David Allsopp, der in "Joshua" sang, wird man gewiss noch hören. Den Orchesterpart übernimmt seit einigen Jahren die Hannoversche Hofkapelle, ein hochkarätig besetztes Originalklang-Ensemble, das auch gerne nach Maulbronn kommt und mit dem die Zusammenarbeit nach den Worten von Jürgen Budday sehr produktiv ist.
Bieten die Händel-CDs bei den bekannten Werken eine spannende Alternative zu den Konkurrenzaufnahmen, gegenüber denen sie sich gut zu behaupten wissen, so haben sie etwa im Fall des "Joshua" nicht geringen Repertoirewert. Denn auch der Aufnahme unter Robert King mit seinem "King's Consort" gab es bis dato keine weitere anspruchsvolle Aufnahme des Werks entgegenzusetzen. Auch in der Mozartfassung des "Messias" auf Originalinstrumenten wird die Diskografie durch den Maulbronner Konzertmitschnitt wesentlich bereichert.
Außer dem erwähnten Robert King und Peter Neumann mit seinem Kölner Kammerchor hat kein Dirigent und hat kein Chor so konsequent und so viele Händel-Oratorien aufgenommen wie Jürgen Budday mit seinem Maulbronner Kammerchor.

Dr. Karl Georg Berg 2008,
Hausmitteilungen der Händelgesellschaft zu Halle e.V.

Georg Friedrich Händel: Belshazzar

Belshazzar von Georg Friedrich Händel (1685-1759)

Das Oratorium „Belshazzar" behandelt die Geschichte um den babylonischen König Belsazar, wie sie in der Bibel im Buch Daniel überliefert wird. Belsazar frevelt gegen den Gott der Israeliten. Eine Geisterhand schreibt daraufhin die geheimnisvolle Inschrift, das „Menetekel", an die Wand des Saales, die den Untergang des Reiches und den Tod Belsazars durch die Perser voraussagt. Noch in der gleichen Nacht erfüllt sich die Weissagung. Von „Belshazzar" liegen drei Fassungen vor (1745, 1751, 1758). Die erste komponierte Händel vom 23. August bis zum 23. Oktober 1744. Die genauen Daten der Entstehung sind aus dem Briefwechsel bekannt, den Händel damals rege mit seinem Librettisten Charles Jennens führte. Jennens hatte bereits die Libretti zu Saul und Messias verfasst. Er war einer jener aufgeklärten Theologen, die sich nicht davor scheuten, biblische Geschichten zugunsten der Dramatik des Librettos auszuschmücken. Die Uraufführung fand am 27. März 1745 im Haymarket King’s Theatre in London statt. Doch weder lockte das Werk viele Zuhörer noch waren sie davon begeistert. Als ein möglicher Grund für diesen Misserfolg wird die politische Botschaft gesehen, die zwar von Händel nicht beabsichtigt, vor der damaligen politischen Situation aber durchaus aus dem Libretto herauszulesen ist. Es kann als Manifest gegen den damals herrschenden König George II. verstanden werden, der als Mitglied des Hannoverschen Hauses vielen Briten nicht als rechtmäßiger Regent erschien. So wird die Eroberung des Thrones durch Cyrus als Allegorie einer ebensolchen durch ein Mitglied des Hauses Stuart in England gesehen. „Belshazzar" wurde nach nur drei Aufführungen abgesetzt und Jahre später, 1751, nach Änderungen von Händel wiederaufgenomen. Diese Änderungen beinhalteten neben kleinen Verbesserungen auch die Hinzunahme neuer Arien, andere wurden weggelassen und die Rolle des Cyrus wurde nun anstelle eines Mezzosoprans von einem Altus gesungen. Diese zweite Fassung war die weitaus erfolgreichere und sie ist es auch, die in dieser Aufnahme (leicht gekürzt) vorliegt. Sie beginnt mit der zweiten Szene der Urfassung. Charles Jennens schuf ein unglaublich dramatisches Libretto. Er verband die biblische Geschichte des babylonischen Königs Belsazar mit historischen Quellen, die er bei Herodot oder Xenophon fand. So ist beispielsweise die im Oratorium so wichtige Gestalt der Nitocris aus Herodots Histories apodexis entnommen. Das Oratorium ist selbst für Händel von außergewöhnlicher Farbigkeit und Lebendigkeit. Die hohe Dramatik des Werkes wird zu einem großen Teil vom Chor getragen, dem die musikalische Darstellung der drei Völker obliegt. Schauplatz der Handlung ist die Stadt Babylon, die Hauptstadt Assyriens, im Jahre 538 v. Chr. Durch die Stadt fließt der Euphrat, der westlich der Stadt einen See bildet, der anlässlich des Mauerbaus zum Umleiten des Flusses angelegt wurde. Vor den Stadtmauern lagern die Heere der Meder und Perser, an deren Spitze König Cyrus steht.
Der erste Akt beginnt vor den Toren Babylons. Von den Mauern herab verspotten die Babylonier Cyrus ob seines törichten Plans, Babylon einnehmen zu wollen. Der Babylonier Gobryas, der nach dem Mord an seinem Sohn durch Belsazars Hand zu Cyrus übergelaufen ist, bestätigt die gute Befestigung der Stadt. Cyrus spendet ihm Trost und berichtet von seinem Traum, in dem er den Euphrat ausgetrocknet sah. Er entwickelt daraus den Plan, den Fluss über den außerhalb gelegenen See umzuleiten und schließlich über das ausgetrocknete Flussbrett in die Stadt einzudringen. Gobryas unterstützt die Idee, die Eroberung am Tag des Sesachfestes zu wagen, bei dem die Babylonier ihrem Weingott Sesach huldigen und es religiöse Pflicht ist, sich am Wein zu berauschen. Cyrus weckt sein Heer und bittet Gott um Beistand. Der folgende Chor der Perser greift diese Bitte an Gott auf. In Babylon sagt der Prophet Daniel dem gefangenen Volk der Juden den Untergang der Stadt voraus, er nennt Cyrus als deren gottgesandten Befreier. Das Volk der Juden stimmt in einen Chor der Freude über die baldige Erlösung ein. Der erste Teil des Chores drückt in einem feierlichen, homphonen Satz die Hoffnung auf Befreiung aus. In der vierten Szene eröffnet Belsazar das Fest zu Ehren des Sesach. Es wird maßlos getrunken und gefeiert. Nitocris fleht ihren Sohn an, dem Ganzen ein Ende zu setzen, doch er befiehlt, aus dem Tempel die heiligen Gefäße der Juden zu holen, um sie als Weinkelche zu missbrauchen. Nitocris und die Juden warnen ihn vor den Folgen dieser Schändung. Das jüdische Volk reagiert mit der Ankündigung, Belsazar werde bald die Strafe Gottes für sein Verhalten erhalten. In diesem dreiteiligen Chor „By slow degrees.." ist zunächst Trauer und Verletztheit, dann im zweiten Teil die angestaute und schließlich die sich entladende Wut zu spüren. Besonders beeindruckend ist die Frage nach Reue, auf die das jüdische Volk wartet. Sie geht einzeln durch alle Stimmen, baut sich auf und mündet dann in der homophon erklingenden Erkenntnis, dass das Warten offensichtlich vergeblich ist. Mit der chromatisch abwärts schreitenden Linie - „and every step he takes on his devoted head precipitates the thunder down"- wandelt sich das Warten in Wut und versinnbildlicht diese.
Zu Beginn des zweiten Aktes beobachten die Perser aufgeregt, wie aus dem Fluss das Wasser weicht „See from his post Euphrates flies..." - wobei das Sopranthema (Koloratur) zu Beginn das Fließen des Wassers und die freudige Erregung abbildet, die sich bei dem Schauspiel unter den Persern breit macht. Das veranlasst sie im weiteren zu einem bizarren Rollenspiel, in dem sie einen Dialog zwischen erzürnten Babyloniern (Frauenchor) und ermutigenden Persern (Männerchor) ersinnen. Nun gibt Cyrus den Befehl, das Flussbett zu durchschreiten und die Stadt einzunehmen. Die Perser stimmen in einen kampfeslustigen Chor ein. Das Fest der Babylonier ist auf seinem Höhepunkt. Belsazar lästert hochmütig Jehova und als er im Begriff ist, den Kelch zum Munde zu führen, geschieht das, wovor ihn die Juden gewarnt haben An der Wand erscheinen von Geisterhand geschriebene unverständliche Worte: „mene, mene, tekel, upharsin". Hier findet Händel eine musikalische Verarbeitung, die vielleicht wie keine andere den Gepflogenheiten der Oper nahesteht. Die Violinen steigen unbegleitet eine chromatische Linie hinauf, adagio e staccato, ma piano. Belsazar ist vor Entsetzen verstummt, bringt lediglich ein erschrockenes Ah! hervor. Das babylonische Volk schreit um Hilfe und Belsazar zeigt noch immer entsetzt auf die geheime Schrift. Niemand weiß das Geschriebene zu deuten und auf Rat der Nitocris wird der Prophet Daniel gerufen. Er übersetzt, von Händel als spannungsreiches Recitativo accompagnato komponiert, folgendes: mene: nach dem Willen des gelästerten Gottes sind die Tage deines Reiches gezählt, tekel: du wurdest gewogen und zu leicht befunden, upharsin: dein Reich wird geteilt und den Medern und Persern übergeben. Nitocris fleht Belsazar an, Jehova um Verzeihung zu bitten, doch auch jetzt lässt er sich nicht umstimmen. Cyrus und Gobryas dringen in die Stadt ein und legen so den Grundstein zur Entmachtung Belsazars.
Nitocris eröffnet den dritten Akt, sie erhält in ihrem Gemach Nachricht von der Einnahme der Stadt. Die Juden feiern ihre Befreiung und danken Jehova für sein Erbarmen. Belsazar tritt in seinem Übermut den Eindringlingen entgegen, überzeugt von seiner Stärke. Er fällt im Kampf, während das Orchester einen kriegerischen Marsch intoniert. Nitocris unterwirft sich dem neuen Herrscher Cyrus, der auch den Babyloniern Freiheit verspricht. Diese gewährt er auch Nitocris, die er gar bittet, ihn an Belsazars Statt als ihren Sohn anzunehmen. Daniel prophezeit Cyrus, er werde der Retter des Volkes Israels sein und die Stadt Jerusalem und den Tempel wiederaufbauen. Cyrus gelobt dies zu tun.
Diese Konzertaufnahme von Belshazzar ist Teil eines Zyklus von Oratorien und Messen, die Jürgen Budday im Rahmen der Klosterkonzerte Maulbronn über mehrere Jahre hinweg aufführt. Die Reihe verbindet Musik in historischer Aufführungspraxis mit dem akustisch und atmosphärisch optimal geeigneten Raum der einzigartigen Klosterkirche des Weltkulturerbes Kloster Maulbronn. Dieser Idealort verlangt geradezu nach der Durchsichtigkeit des Musizierens und der interpretatorischen Freilegung der rhetorischen Gestik der Komposition, wie sie durch die historische Aufführungspraxis in besonderer Weise gewährleistet ist. So wird ausschließlich mit rekonstruierten historischen Instrumenten musiziert, die in den zu Lebzeiten der Komponisten üblichen Tonhöhen gestimmt sind (in dieser Aufführung a' = 415 Hz).

Joseph Haydn: Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze

Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze von Joseph Haydn (1732-1809)

Meditieren, sinnen - sich besinnen, gewinnt gerade in unserer schnellebigen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Zumeist verbindet man mit dem Wort Meditation sphärische Entspannungsmusik mit entsprechenden gedanklichen Anregungen zur Selbstfindung. Doch was geschieht wenn im authentischen Raum „Klosterkirche Maulbronn" Haydns großes Orchesterwerk, geschaffen zur Besinnung auf die „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze" erklingt? Dann erfährt „Meditation" eine andere Bedeutung - ganz im Sinne der Komposition und des ursprünglichen Anlasses. Denn im Jahre 1785 erhielt Joseph Haydn von einem Domherrn in Cadiz den Auftrag, für die Karwoche eine Art geistlicher Instrumentalmusik zu schreiben, in der die „Sieben letzten Worte des Herrn" Ausdeutung erfahren sollten. Der Komponist sagte zu und schuf „Sieben Sonaten mit einer Einleitung und am Schluß ein Erdbeben" für großes Orchester, die dann wahrscheinlich am Karfreitag des Jahres 1786 in der unterirdischen Kirche Santa Cueva aufgeführt wurden. Haydn beschrieb etwa 15 Jahre später, wie die Aufführung vonstatten gegangen ist: „Man pflegte damals alle Jahre während der Fastenzeit in der Hauptkirche zu Cadiz ein Oratorium aufzuführen, zu dessen verstärkter Wirkung folgende Anstalten nicht wenig beitragen mußten: Die Wände, Fenster und Pfeiler der Kirche waren nämlich mit schwarzem Tuch überzogen, und nur eine in der Mitte hängende Lampe erleuchtete das heilige Dunkel. Zur Mittagsstunde wurden alle Türen geschlossen; jetzt begann die Musik. Nach einem zweckmäßigen Vorspiel bestieg der Bischof die Kanzel, sprach eines der sieben Worte aus und stellte eine Betrachtung darüber an. Der Bischof betrat und verließ zum zweiten, dritten Male usw. die Kanzel, und jedesmal fiel das Orchester nach dem Schluß der Rede wieder ein. Dieser Darstellung mußte meine Komposition angemessen sein."
Haydn wandte einen Kunstgriff an, der im 18. Jahrhundert gang und gäbe war: Bei der Verfassung von Instrumentalmusik stellte man sich einen Text, einen Dialog, ja sogar ein ganzes Drama vor, an dem entlang nun „sprechende" Musik komponiert wurde; die Musik war somit eine „redende" Kunst und hatte dementsprechend ganz konkrete Inhalte. Die sieben Köpfe der Titelillustration versinnbildlichen die Auseinandersetzung des menschlichen Geistes mit den heren Werten und deren zunehmenden Verfall in der Gegenwart.

Max Bruch: Moses

Moses von Max Bruch (1838-1920)

Das Oratorium Moses hat im Werk des Komponisten Max Bruch eine besondere Bedeutung. Ursprünglich sah er wohl eine Vermessenheit darin, an die grossen Werke von Händel und Mendelssohn anzuknüpfen. So schreibt er 1873 in einem Brief an den Musikschriftsteller Hermann Deiters: "Biblische Stoffe liegen mir fern; die alten Meister haben auf diesem Feld so viel Gewaltiges geleistet, daß wir selbstständige und neue Leistungen nur in Verbindung mit anderen Stoffen ermöglichen können. Es ist nicht zufällig, dass alle oratorischen Leistungen seit Mendelssohn mißglückt sind." Was wohl der Auslöser für seinen Sinneswandel gewesen sein mag, wird letztlich im Dunkeln bleiben, doch schreibt er 1893 an den Bachforscher Philipp Spitta, den Bruder seines späteren Librettisten Ludwig: „Sie sind der Erste, und werden zunächst auch der Einzige bleiben, dem ich im Vertrauen einen Plan mittheile, der mich lebhaft beschäftigt. Wollen Sie die Anlage, die poetische Unterlage für ein oratorisches Werk in großem Styl: ‚Moses am Sinai‘ (oder Israel in der Wüste) aufmerksam lesen... lange habe ich nun gesucht und getastet und bald Dies, bald Jenes vorübergehend erwogen. Da ich aber fest entschlossen bin, die weltliche dramatische Cantate nach der dramatischen Seite hin nicht weiter zu entwickeln..., so bin ich auf den beiliegenden, echt oratorischen Plan zurückgekommen, der mich schon 1889 und dann wieder 1890 ernsthaft beschäftigt hat. Er beginnt da, wo Händels ‚Israel in Egypten‘ endet. Meines Wissens hat bisher kein bedeutender Musiker diesen Teil der Geschichte Mosis behandelt..." Die Uraufführung findet schließlich am 8. Januar 1895 unter Bruchs Leitung in Barmen statt. Es ist ein Stück alter Oratorienkunst, jedoch im spätromantischen Gewand, das Bruch hier geschaffen hat. Der Chor ist dabei der entscheidende Träger des Geschehens. Dramatische Wucht, aber auch feiner poetischer Ausdruck verlangen von den Sängern vor allem gestalterische Wendigkeit und Anpassung. Seinen Zeitgenossen selbst bleibt das Werk suspekt. Johannes Brahms schreibt im Juni 1895 an Clara Schumann:„Bruch hat jetzt einen Moses herausgegeben... Wenn man nur eine Spur Freude an den Sachen haben könnte! Sie sind in jeder Beziehung schwächer und schlechter als seine eigenen früheren Sachen. Die einzige frohe Empfindung ist, wenn man wie ich, meint, Gott danken zu dürfen, daß er einen vor der Sünde, dem Laster oder der schlechten Angewohnheit des bloßen Notenschreibens bewahrt hat." Bruch hingegen sah sich in seiner Arbeit bestätigt und schreibt an seinen Verleger Franz Simrock im Februar 1895: "Ich will Ihnen ein Geheimnis sagen: edle und grosse Wirkungen auf Tausende sind mit gewöhnlichen Kräften nicht zu erreichen, etwas Höheres, was sich nicht definieren lässt, ist da in dem schaffenden Künstler wirksam... ‚Moses‘ hätte ich nicht schreiben können, wenn nicht ein starkes und tiefes Gefühl des Göttlichen in mir lebendig wäre, und jedem tiefer angelegten Künstler wird es einmal im Leben so gehen, dass er die besten und innersten Regungen seiner Seele mit den Mitteln seiner Kunst den Menschen künden kann... Und so hat denn auch Moses der Welt bewiesen, daß ich nicht stehen geblieben bin - denn das ist die größte Gefahr im Alter."
Das in seinen Chören und Arien gewaltige und stimmungsvolle Oratorium besteht aus zwei Teilen und zeigt vier Episoden aus dem Leben des Propheten Moses. Der erste Teil des Werkes beginnt mit einer kurzen, dramatischen Introduktion.
Die Episode Am Sinai stellt Moses als den Anführer des Volkes Israel dar. Er wird vom Engel auf den Berg gerufen, um dort die Zehn Gebote von Jehova zu empfangen. Sein Bruder Aaron ist während seiner Abwesenheit zum Hüter des Volkes bestimmt. Der mit Psalm 90 beginnende Lobgesang der beiden Solostimmen Moses und Aaron im Wechsel mit dem Volk war für Bruch ein Kernstück des Werkes.
In der zweiten Episode, Das goldene Kalb, steuert die Handlung in weitem Bogen auf den tragischen Konflikt des Oratoriums zu, die Abwendung des Volkes Israel von Jehova. Drei impulsiv angelegte Chorszenen schildern Unruhe und Zweifel des Volkes über das lange Ausbleiben des Propheten. Die rohe Forderung an Aaron, als sichtbaren Götzen ein goldenes Kalb zu schaffen, gipfelt im Zorn des wiedergekommenen Moses, der das um den Götzen Baal tanzende Volk zur Ordnung ruft.
Der zweite Teil (dritte Episode), Die Rückkehr der Kundschafter aus Kanaan, beginnt mitten in der Auseinandersetzung zwischen Moses und dem Volk. Die Späher, die Moses ins Gelobte Land geschickt hatte, berichten hymnisch vom „Land der Träume". Doch der Prophet befindet das Volk Israel des Gelobten Landes unwürdig. Aaron und die Israeliten kommen zur Einsicht: „Hilf du uns Gnade finden". Es folgt die Darstellung des Kampfes mit den Amalekitern.
In der letzten Episode, Das Land der Verheißung, kündigt der Engel des Herrn Moses sein nahendes Ende an. Der Prophet führt sein Volk auf den Berg Nebo, der den Blick nach Kanaan erlaubt. Dort segnet Moses das Volk, ehe er stirbt.

Reihe & Edition

A

uthentic Classical Concerts zu veröffentlichen, heisst für uns, herausragende Aufführungen und Konzerte für die Nachwelt festzuhalten und zu vermitteln. Denn Künstler, Publikum, Werk und Raum treten in einen intimen Dialog, der in Form und Ausdruck - in seiner Atmosphäre - einmalig und unwiederbringlich ist. Diese Symbiose, die Spannung der Aufführung dem Hörer in all ihren Facetten möglichst intensiv erlebbar zu machen, indem wir die Konzerte direkt in Stereo-Digital-HD aufzeichnen, sehen wir als Ziel, als Philosophie unseres Hauses. Das Ergebnis sind einzigartige Interpretationen von musikalischen und literarischen Werken, schlichtweg - audiophile Momentaufnahmen von bleibendem Wert. Blühende Kultur, dem Publikum vor Ort und nicht zuletzt auch Ihnen zur Freude, sind somit jene Werte, welche wir in unseren Editionen und Reihen dokumentieren.

Die Konzerte im UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Maulbronn, bieten in vielfacher Hinsicht die idealen Voraussetzungen für unser Bestreben. Es ist wohl vor allem die Atmosphäre in den von romantischem Kerzenlicht erhellten Gewölben, der Zauber des Klosters in seiner unverfälschten sakralen Ausstrahlung und Ruhe, die in ihrer Wirkung auf Künstler und Publikum diese Konzerte prägen. Renommierte Solisten und Ensembles der großen internationalen Bühnen sind gerne und vor allem immer wieder hier zu Gast - genießen es in der akustisch und architektonisch vollendeten Schönheit des Weltkulturerbes in exquisiten Aufführungen weltliche und sakrale Werke darzubieten, die wir in unserer Edition Kloster Maulbronn dokumentieren.

Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler, K&K Verlagsanstalt

Werke, Sätze & Titelliste

Georg Friedrich Händel (1685-1759):

Belshazzar

Das englische Oratorium HWV 61,
aufgeführt in historischer Aufführungspraxis
vom Maulbronner Kammerchor
und der Hannoverschen Hofkapelle
unter der Leitung von Jürgen Budday
am 25. & 26. September 2004
Libretto: Charles Jennens

1. Ouvertüre [4:33]
Für Orchester

2. Akt I, Szene 1: Behold, by Persia's hero made [2:37]
Chor der Babylonier

3. Akt I, Szene 4: O dearer than my life, forbear [6:15]
Duet der Nitocris und des Belshazzar
Solisten: Miriam Allan (Sopran) & Mark Le Brocq (Tenor)

4. Akt II, Szene 1: See, from his post Euphrates flies [7:16]
Chor der Perser

5. Akt II, Szene 2: Ye tutelar gods of our empire [3:13]
Chor der Babylonier

6. Akt II, Szene 2: Yet, to obey His dread command
MENE, TEKEL, UPHARSIN
Oh, sentence too severe
[3:45]
Rezitative des Daniel und der Nitocris
Solisten: Michael Chance (Countertenor) & Miriam Allan (Sopran)

7. Akt II, Szene 2: Regard thyself [6:19]
Arie der Nitocris · Solistin: Miriam Allan (Sopran)

8. Akt II, Szene 2: O glorious prince, thrice happy they born
to enjoy thy future sway
[5:18]
Chor der Perser

9. Akt III, Szene 3: Tell it out among the heathen [1:58]
Solisten & Chor
Solisten: Miriam Allan (Sopran), Michael Chance (Countertenor) & Mark Le Brocq (Tenor)

10. Akt III, Szene 3: I will magnify Thee, O God my king [5:22]
Daniel, Nitocris & Chor
Solisten: Michael Chance (Countertenor) & Miriam Allan (Sopran)


Joseph Haydn (1732-1809):

Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze

Hob. XX/1A

aufgeführt von der Bayerisches Kammerphilharmonie
unter der Leitung von Alan Buribayev
am 10. June 2004

11. I. Introduktion: Maestoso ed Adagio [5:32]

12. VI. Adagio [5:58]

13. VIII. Largo [5:33]

14. IX. Il Terremoto: Presto Con Tutta La Forza (Das Erdbeben) [1:49]

Max Bruch (1838-1920):

Moses, Op. 67

aufgeführt von der Kantorei Maulbronn
und der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg
unter der Leitung von Jürgen Budday
am 19. & 20. Juni 2004
Libretto: Ludwig Spitta

15. Teil I, Am Sinai:
Jehova selbst, der Herr, hat erlöst sein Volk
[6:08]
Chor (Das Volk)

16. Teil I, Am Sinai:
Herr, Gott, du bist uns're Zuflucht für und für (Canticle)
[9:35]
Moses, Aaron & Chor (Das Volk)
Solisten: Peter Lika (Bass) & Stefan Vinke (Tenor)

17. Teil II, Die Rückkehr der Kundschafter aus Kanaan:
Die ich entsandt', die Boten, kehren heim - Zur Höllen Pforten fahre ich dahin
[9:05]
Rezitativ des Moses, Arie & Rezitativ des Aaron & Chor (Das Volk)
Solisten: Peter Lika (Bass) & Stefan Vinke (Tenor)

18. Teil II, Die Rückkehr der Kundschafter aus Kanaan:
Stoßet in die Halldrommeten
[6:48]
Rezitative des Moses & des Engels & Chor (Das Volk)
Solisten: Peter Lika (Bass) & Birgitte Christensen (Sopran)



Tonmeister: Andreas Otto Grimminger

Produktion & Mastering: Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler

Photography: Josef-Stefan Kindler

Artwork & Coverdesign: Josef-Stefan Kindler

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