Wilhelm Friedemann Bach: 12 Polonaisen, F. 12

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Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784):
12 Polonaisen, F. 12

Art Movie von Josef-Stefan Kindler
nach und mit den 12 Polonaisen (F. 12)
von Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784),
gespielt von Slobodan Jovanović (Hammerflügel)

12 Kapitel · Laufzeit: ca. 44 Minuten

MOVIE

Kapitel- & Titelliste

Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784):

12 Polonaisen, F. 12

1. Nr. 1: Polonaise in C-Dur [4:18]
2. Nr. 2: Polonaise in C-Moll [4:02]
3. Nr. 3: Polonaise in D-Dur [4:25]
4. Nr. 4: Polonaise in D-Moll [2:13]
5. Nr. 5: Polonaise in Es-Dur [4:15]
6. Nr. 6: Polonaise in Es-Moll [4:09]
7. Nr. 7: Polonaise in E-Dur [3:13]
8. Nr. 8: Polonaise in E-Moll [5:19]
9. Nr. 9: Polonaise in F-Dur [2:21]
10. Nr. 10: Polonaise in F-Moll [3:41]
11. Nr. 11: Polonaise in G-Dur [2:51]
12. Nr. 12: Polonaise in G-Moll [2:40]


Hammerflügel von Susanne Merzdorf, 2017 (nach Anton Walter, 1782)


Aufgenommen in der Laurentius-Kirche in Karlsruhe, 1. bis 3. Oktober 2017
Aufnahme & Schnitt: Hanns Wissert
Produktion & Mastering: Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler
Artwork & Coverdesign: Josef-Stefan Kindler
Herzlichen Dank an Susanne Merzdorf, Ruth Schwarz, Pastor Siegfried Weber
und der Laurentius-Gemeinde in Karlsruhe.

Werk(e) & Aufführung
Werk & Interpretation

Wilhelm Friedemann Bach

I

m Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Carl Philipp Emanuel Bach hat Wilhelm Friedemann Bach wahrscheinlich keine Gründe gehabt an etwas ähnliches zu denken, und geschweige so etwas überhaupt lamentierend der Nachwelt preiszugeben. Zeit seines Lebens war er nur teilweise an eine feste Stelle gebunden und verbrachte sein Leben eigentlich mehr als freischaffender Musiker. Es ist durchaus denkbar, dass er sich ab und an eine beständige Stelle gewünscht hätte. Da hätte sicherlich jede Seite davon profitieren können, also der Künstler sowie der Auftraggeber - aber nur, wenn es den Teil der Geschichte im Leben Friedemanns mit chronischen Konflikten nicht gegeben hätte. Und so lebte er teilweise in Armut und Abhängigkeit, aber: als freier Musiker. Und das wird uns deutlich, wenn wir seine Musik hören, dazu sind auch die für die vorliegende Aufnahme ausgewählten Stücke von ihm zu zählen. Etwas mehr über die Eigenart des musikalischen Denkens von Wilhelm Friedemann schildern uns die Worte von Reinhard Goebel über ein Flötenkonzert von ihm: "...ein Stück, das sich seinem Publikum nicht unmittelbar erschließt: Schon das einleitende Ritornell offeriert eine große Materialfülle, die dem Hörer sicher erst einmal Kopfzerbrechen bereitet. Anders als sein Vater, der in seinen reifsten Werken die Extreme von Tonhöhen, Harmonie und Bewegung sorgsam einzuführen und einem gemeinsamen Höhepunkt zuzuführen weiß, stürzt sich Wilhelm Friedemann in medias res: Kaum zwei Takte vergehen, ohne dass die Flöte nicht einmal so ganz nebenbei einen Tonraum von zwei Oktaven in drei verschiedenen Bewegungsmustern durchmessen hat."

Auch in den zwölf Polonaisen geht Wilhelm Friedemann tatsächlich auf ähnliche Weise vor. Er geht mit derart lebhaftem Enthusiasmus an die Sache heran, sodass er den Hörer in dem Augenblick, wo er die Stücke zum ersten Mal hört, mit seiner plötzlichen Expansion an musikalischen Materialien fast zu einer gewissen Desorientierung bringt. Es ist also kein Wunder, dass diese Stücke von dem Komponisten und Dirigenten C. F. Zelter am Anfang des 19. Jahrhunderts als "mühsam" bezeichnet wurden. Eine Veröffentlichung dieser Polonaisen wurde 1765 angekündigt. Dazu kam es nicht, aber immerhin waren diese Stücke bereits in Handschriften verbreitet. Der wahrscheinliche Grund, dass es keine Publikation gegeben hat, war, dass diese Stücke, genau wie manche frühere Werke von Wilhelm Friedemann, technisch zu schwierig und musikalisch zu anspruchsvoll für das damalige Publikum waren. Zum Teil sind diese Polonaisen so ungewöhnlich, dass sie uns eher an Chopin und Schumann erinnern als an einen Meister seiner Zeit. Aber auch neben oben beschriebenen eher kuriosen Aspekten seiner Musik müssen wir über seine Originalität staunen. Wilhelm Friedemann verstärkt, bis zum äußerst markanten Grade, das stilisierte Profil des Polonaise-Tanzes mit neuen Ausdrucksmerkmalen der Empfindsamkeit. Polonaisen waren zu seiner Zeit recht in Mode. Einige Komponisten haben zum gleichen Zeitpunkt Polonaisen komponiert. Johann Gottlieb Goldberg hat das sogar systematisch getan: 24 Polonaisen in allen Dur- und Moll-Tonarten (vielleicht innerlich als Hommage an seinen Lehrer Johann Sebastian Bach; und wenn Hommage, dann doch lieber mit 24 stilisierten Tänzen als 24 Fugen...). Die zwölf Stücke von Friedemann kann man als Zyklus ansehen. Der Komponist schreibt in folgenden Tonarten: C, D, Es, E, F und G. Diese Stücke klingen extrem unterschiedlich, das ist sehr bemerkenswert! Und hört er dann plötzlich nach Lust und Laune auf, ohne mindestens noch die Tonarten in A, B und H für etwas Neues und Besonderes zu verwenden? Es scheint so zu sein, dass sich hier Friedemanns innere Inkonsequenz zeigt, so, wie wenn er stark irritiert, gar betrübt wäre, wenn das Ganze am Ende als ein Konzept erscheinen könnte.
Besonders in den Moll-Stücken begegnen wir ganz eigentümlichem musikalischem Geschehen, wie z.B. in der Polonaise in Es-Moll. Als exemplarisch sollte man hier die sehr penetrante Wiederholung der zusammenklingenden Sekunde am Anfang erwähnen (Töne ges und as in der rechten Hand). Diesen dissonanten Klang wiederholt Wilhelm Friedemann nicht nur einmal, sondern noch vier Mal, nachdem er im ersten Takt zum ersten Mal erklingt.
Die Polonaise g-Moll trägt hie und da, vor allem am Anfang, in sich das Energetische einer affektgeladenen und dramatischen Streicher-Sinfonie aus dieser Zeit. Zarte Cantabile-Argumente in der oberen Lage der Klaviatur bringen trotz der ausgedünnten Textur viel Spannung (vielleicht eine Andeutung an die subtile Farbe der hohen Streicher, wenn sie sich in einem Werk für Streicher kurz von den Bässen verabschieden und alleine sehr aktiv agieren?).
Die Polonaise in G-Dur, eine wahre Etüde, wirkt sehr dynamisch und strahlend durch kurze und stechende Vorschläge, die sich in dem Stück reichlich anhäufen. Damit kommt ganz klar Friedemann Bachs Scharfsinnigkeit und Esprit zutage. Die damit verbundene und erforderliche technische Wendigkeit - neben der anderen, nämlich der geistigen Wendigkeit - soll man hier auch erwähnen. Die Polonaisen G-Dur und g-Moll sind technisch derart anspruchsvoll, es genügt allein ein Blick in das Notenbild der beiden Stücke. Dieses Notenbild erinnert an nichts, was bis dato existierte. Technische Komplexität und Dichtheit der Struktur (und nicht zuletzt Dichtheit zwischen den Notensystemen!) sind in der Weise vor Friedemann Bach, zu seiner Zeit, aber auch später, bei Haydn und Mozart, nicht zu finden.
Die Polonaise in D-Dur zeigt eher etwas Konzertantes. Zunächst wird der Hörer seine Aufmerksamkeit auf die vollen, immer wieder auftretenden und hämmernden Akkorde lenken, bevor das Ganze verspielt und erfrischt durch Zweiunddreißigstel zum Fließen gebracht wird.
In der Polonaise d-Moll haben wir ein Wechselspiel zwischen schlichten Synkopen und zwei wunderbar "romantisch" melodischen Dialogstimmen in der rechten Hand.
Die Polonaisen in e-Moll und f-Moll sind die ausdrucksvollsten von allen zwölf. Die Polonaise e-Moll beginnt mit einer Reihe von Dezimsprüngen, was wie Imitationen der arpeggierenden Violine wirkt. Dadurch ist dies etwas sehr Expressives. Eigentlich hätten Terzsprünge genügt, aber Dezimsprünge sind natürlich deutlich intensiver. Diese Polonaise ist von Anfang bis Ende ein einziger Gesang, und damit im Einklang mit dem Bestreben des empfindsamen Stils. Mit diesem Stück erreicht Friedemann genau das, was sein Bruder Emanuel als sein eigenes Bestreben gesehen hat: ein Stil des Komponierens und der Interpretation zu erreichen, der so weit wie möglich dem Gesang-Stil ähneln sollte. Also eine Illusion des Gesangs auf dem Instrument. In der Polonaise f-Moll wird der hier oft eingesetzte Doppelschlag von einem üblichen Ornament zum latenten Leitmotiv. F. C. Griepenkerl, der spätere Herausgeber dieser Polonaisen, betonte, dass Friedemann und Forkel jeden dieser Doppelschläge immer anders und verschieden von einander gespielt hätten.
Die Polonaise in C-Dur ist durch die Triolenbewegung besonders leicht und definitiv nicht mühsam. So wirkt auch die Polonaise in E-Dur leicht. Diese zeichnet sich aus durch ihren strahlenden Charakter, was zum großen Teil durch den sehr ausgewogen komponierten Dialog zwischen Bässen und Diskant-Stimmen erreicht wird. Dafür trägt die Polonaise c-Moll tatsächlich gewisse Schwere in sich, vor allem wegen gewagter Verwendung aller zwölf chromatischen Töne in der linken Hand.
Und nicht zuletzt, finden wir in den Polonaisen Es-Dur und F-Dur tatsächlich endlich den wahren Polonaisen-Geist. In anderen Polonaisen hat Wilhelm Friedemann diesen bis hin zu fantasiereichen Charakterstücken verwandelt. Diese zwei wunderbaren Polonaisen sind wie ein Blick in die erst kommende Romantik; man muss hier zwangsläufig an Chopin denken.

Slobodan Jovanović, 2019

Künstler
Bild: Slobodan Jovanović von Nico Roller. Alle Rechte vorbehalten.

S

lobodan Jovanović wurde 1977 in Pančevo (Serbien) geboren. In Freiburg i. Br. studierte er Cembalo und Clavichord bei Robert Hill und Generalbass bei Michael Behringer. Hammerflügel und Kammermusik studierte er in Karlsruhe bei Kristian Nyquist. Zusätzlich absolvierte er eine professionelle organistische Ausbildung. Bei den Cembalisten Colin Tilney und Huguette Dreyfus besuchte er als Stipendiat mehrfach Meisterkurse. Außerdem vervollkommnete er sich im Generalbass-Spiel bei Jesper Bøje Christensen.
Slobodan Jovanović ist als Solist und als gefragter Kammermusik-Partner in den meisten europäischen Ländern aufgetreten. Als Continuospieler trat er auf unter Dirigentenpersönlichkeiten wie Reinhard Goebel, Radoslaw Szulc und mit diversen Ensembles und Orchestern, u.a. mit La Folia, L'arpa festante, Mannheimer Mozartorchester, Nationaltheater-Orchester Mannheim und dem Karlsruher Barockorchester. Außerdem ist er seit mehreren Jahren als Korrepetitor der Internationalen Händel-Akademie in Karlsruhe tätig. Im Jahr 2016 und 2017 spielte Jovanović in mehreren Konzerten u.a. alle sechs Brandenburgischen Konzerten von J.S. Bach im Rahmen einer Kooperation mit der Philharmonie Baden-Baden.
Im Jahr 2002 hat er mit Cembalo-Sonaten von Franz Anton Maichelbeck (1702-1750) bei dem Label ARS MUSICI debütiert. Das Projekt "Cembalo Live-Elektronik" mit Musik des Komponisten Roland Breitenfeld erschien im Jahr 2001 mit Slobodan Jovanović am Cembalo auf CD ("Neue Werke für Cembalo & Live-Elektronik"). Aufnahmen seiner eigenen Cembalo-Kompositionen folgten 2004. 2014 sind seine eigenen kammermusikalischen Werke auf einer CD erschienen (Album "Scene In Circle" bei Label IFO Classics, gespielt von dem Ensemble Serene Destination). Im Juli 2016 ist seine zweite CD (Album "Images Without Frames") beim Label IFO CLASSICS erschienen, diesmal mit Werken von Frescobaldi, Froberger und Louis Couperin und seinem eigenem Zyklus für Cembalo "Images without Frames".
Als Komponist verfolgt Slobodan Jovanović konsequent die Idee der Fusion musikalischer Stilen und Tonsprachen. Im Frühjahr 2014 startete er sein groß angelegtes Projekt "Everlasting Opera", in dem dieser Ansatz langfristig in verschiedenen, in sich abgeschlossenen vokal-instrumentalen Werken ("Opera") verwirklicht werden soll.

Bild: Nico Roller. Alle Rechte vorbehalten.

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