Die Zeit
Vom Philosophieren über Hoffnung und Zukunft, Warten und Vergänglichkeit und von der furchterregenden Vorstellung der Ewigkeit in Werken nord- und mitteldeutscher Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts.
Programmkonzept: Simone Eckert.
1. Johann Schop (c.1590-1667):
O Ewigkeit, du Donnerwort
aus "Johann Risten Himlischer Lieder" für Sopran und B.c., Lüneburg 1642
I.: O Ewigkeit, du Donnerwort, O Schwert, das durch die Seele bohrt, O Anfang sonder Ende! O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit, ich weiß von großer Traurigkeit nicht, wo ich mich hinwende; Mein ganz erschrocknes Herz erbebt, dass mir die Zung am Gaumen klebt.
II.: O Ewigkeit, du machst mir bang. O ewig, ewig ist zu lang; hie gilt fürwahr kein Scherzen: Drumb wenn ich diese lange Nacht zusampt der großen Pein betracht, erschreck ich recht von Herzen. Nicht ist zu finden weit und breit so schrecklich als die Ewigkeit.
III.: O Ewigkeit, du Donnerwort, O Schwert, das durch die Seele bohrt, O Anfang sonder Ende! O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit, ich weiß von großer Traurigkeit Nicht, wo ich mich hinwende; Nimb du mich, wenn es dir gefällt, Herr Jesu, in dein Freudenzelt.
2. Johann Schop (c.1590-1667):
Lachrimae Pavaen
aus "`T Uitnement Kabinet" für Diskant-Viola da Gamba und B.c., Amsterdam 1646
3. Nikolaus Adam Strungk (1640-1700):
Das Bildnis
aus "Leucoleons Galamelite oder Allerhand Keusche Lust- und Liebeslieder" für Sopran und B.c., Frankfurt ca. 1670
I.: Im Schlaffe seh´ ich alle Nacht die Gegenstellung meiner Plagen die Schönheit, die im Grab erwacht wo sie der Tod hin eingetragen. Du weckst mich auff, du helles Todenlicht, du Sonne die mich sticht: Benimm mir nicht den Rest vom Lebens-Lauff: Ich schlaffe: nein, O stör mir nicht die Ruh`; ich sterbe sonst und dieses machest du.
II.: Weh mir! Wo sie sich schon entreist. Fleuch nicht O schöner Schatten: stehe! Laß zu dass mein verführter Geist noch sein gesundnes Kleinod sehe. Du weckst mich auff...
III.: Deß nachts im Traume leb ich zwar O aber O! ihr Liebs-Tyrannen. Wollte ihr bey Tage ganz und gar das liebe Bild von mir verbannen? Du weckst mich auff...
4. Heinrich Scheidemann (c.1595-1663):
Betrübet ist zu dieser Frist
für Cembalo solo
5. Georg Philipp Telemann (1681-1767):
Getrost im Leiden - Zufriedenheit
aus "Singe-, Spiel, und Generalbassübungen", 1733/34
Getrost im Leiden: Der Himmel lässt nach langem Weinen die Glückessonne wieder scheinen; das Schicksal ist nicht stets erbost. Wir werden nicht beständig trauern; das Unglück kann nicht ewig dauern; drum bin ich auch beym Schmerz getrost.
Zufriedenheit: Wo bleibt ihr denn, ihr guten Tage? Ich warte schon so lange Zeit. Und wo ich euch nicht bald erfrage, so bleibt nur immer, wo ihr seid. Bleibt, wo ihr wollt! Wir sind geschieden. Wenn Stern und Glück und Hoffnung bricht, so leb´ ich mit mir selbst zufrieden, denn euretwegen sterb ich nicht.
6.-9. Georg Philipp Telemann (1681-1767):
Sonata in G Major
aus "Der getreue Music Meister" für Diskant-Viola da gamba und B.c., Hamburg 1728
6. Siciliana - 7. Vivace - 8. Dolce - 9. Scherzando
10. Georg Philipp Telemann (1681-1767):
Die Hoffnung
aus "Moralische Kantaten", Hamburg ca. 1735
Aria: Hoffe nur, geplagtes Herze, dass der Himmel nach dem Schmerze dich auch einst erfreuen kann! Weg mit ängstlichen Gebärden! Das Verhängnis lässt mich nicht meiner Feinde Hohnlied werden, und ich höre, dass es spricht: Dir wird nächstens wohlgetan.
Recitativo: Die Hoffnung stützt mich noch, sonst läg ich wirklich schon; ihr angenehmer Ton verstopft mein Ohr vor jener bittern Melodie, mit der die Grillen bei der verdrüsslichen Melancholie so Kopf und Herze füllen. Lass sein, mein Glücke wankt; draus folgt nicht, dass es fällt; die Hoffnung, die mich stets mit starken Armen hält, entreißt mich der Gefahr, von der ich ohne sie nicht zu befreien war.
Aria: Mein Glücke nimmt sich Zeit, drum lass ich mir´s gefallen; es komme wenn es kommt, so nehm ich´s freudig an. Kommt es nicht heute, so kommt es doch morgen; der Himmel wird mich doch versorgen; er weiß schon, dass ich warten kann.
11.-13. Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788):
Am neuen Jahre - Vom Tode - Prüfung am Abend
aus J.F. Gellert "Oden", 1771
Am neuen Jahre:
I.: Er rufe der Sonn und schafft den Mond, das Jahr danach zu teilen; er schafft es, dass man sicher wohnt, und heißt die Zeiten eilen; er ordnet Jahre, Tag und Nacht; Auf! Laßt uns ihm, dem Gott der Macht, Ruhm ,Preis und Dank erteilen!
II.: Lass auch dies Jahr gesegnet sein, das du uns neu gegeben. Verleih uns Kraft, die Kraft ist dein, in deiner Furcht zu leben. Du schütztest uns, und du vermehrst der Menschen Glück,wenn sie zuerst nach deinem Reiche streben.
III.: Gib mir, wofern es dir gefällt, des Lebens Ruh und Freuden. Doch schadet mir das Glück der Welt: So gib mir Kreuz und Leiden. Nur stärke mir Geduld mein Herz, und lass mich nicht in Not und Schmerz die Glücklichen beneiden.
Vom Tode:
I.: Meine Lebenszeit verstreicht, stündlich eil ich zu dem Grabe; und was ist´s, das ich vielleicht, das ich noch zu leben habe? Denk, o Mensch! an deinen Tod. Säume nicht; denn eins ist not.
II. Nur ein Herz, das Gutes liebt, nur ein ruhiges Gewissen; das vor Gott dir Zeugnis gibt, wird dir deinen Tod versüßen. Dieses Herz, von Gott erneut, ist des Todes Freudigkeit.
III. Wenn in deiner letzten Not Freunde hülflos um dich beben, dann wird über Welt und Tod Dich dies reine Herz erheben: Dann erschreckt dich kein Gericht; Gott ist deine Zuversicht.
Prüfung am Abend:
I.: Der Tag ist wieder hin, und diesen Teil des Lebens, wie hab ich ihn verbracht? Verstrich er mir vergebens? Hab ich mit allem Ernst dem Guten nachgestrebt? Hab ich vielleicht nur mir, nicht meiner Pflicht gelebt?
II.: Und wie genoß mein Herz des Umgangs süße Stunden Fühlt' ich der Freundschaft Glück, sprach ich, was ich empfunden? War auch mein Ernst noch sanft, mein Herz noch unschuldsvoll? Und hab ich nicht geredt, das ich bereuen soll?
III.: Ja, du verzeihest dem, den seine Sünden kränken; du liebst Barmherzigkeit und wirst auch mir sie schenken. Auch diese Nacht bist du der Wächter über mir; leb ich, so leb ich dir, sterb ich, so sterb ich dir.
14.-17. Georg Philipp Telemann (1681-1767):
Sonata in G-Dur
aus "Essercizii Musici" für Viola da gamba, Cembalo obligato und Bc., Hamburg nach 1740
14. Andante - 15. Allegro - 16. Largo - 17. Presto
18. Georg Philipp Telemann (1681-1767):
Die Zeit
aus: "Moralische Kantaten" für Sopran und B.c.
Aria: Die Zeit verzehrt die eignen Kinder viel geschwinder als sie die selbigen zur Welt geboren hat. Jahr, Monat, Wochen, Tag und Stunden sind, wenn sie sind, verschwunden; der Leib, der sie gebiert ist ihr gewisses Grab; die Mutter würgt sie selber ab und hort nicht auf und frisst und wird doch niemals satt.
Recitativo: Der Anfang liegt stets beim Ende. Kaum bricht der lichte Tag hervor, so zieht die Nacht den braunen Flor den heitern Lüften an; sie nimmt den Schatten in die Hände, der auch sogar den Mittag selbst verdunkeln kann, und kehrt das Licht in die Finsterniss. Ach, braucht den Tag! Die Nacht folgt bald, und das gewiss.
Aria: Fahrt, reitet, spielt Karten, trinkt Koffee, raucht Knaster, sucht Scherz und Vergnügen, singt, tanzet und lacht! Macht euch lustig, aber wisset, dass ihr einst von eurer Lust Red und Antwort geben müsset! Darum bleibet in den Schranken, nehmt die Grenzen wohl in acht!